Der Ölbaum

Ein Geschenk des Mittelmeerraums

Was ist ein Olivenbaum? Ein Olivenbaum ist ein Greis. Und zugleich ein Kind, das auf der Stirn einen Olivenzweig trägt und an seinem Gürtel einen kleinen Beutel voller Oliven.

Rafael Alberti

Dieser Baum steht für Frieden und Langlebigkeit, Weisheit und Gottesnähe. Er ist eng mit der kulturellen Entwicklung der Menschen verknüpft, wurde häufig in der Nähe von Kirchen gepflanzt, als Lebensbaum verehrt oder zu Ehren von Verstorbenen gesetzt.

Der Ölbaum ist seit mindestens 7000 Jahren bekannt und stammt ursprünglich aus Regionen des östlichen Mittelmeers – Syrien, Palästina oder auch Kreta.

Im Alten Testament gilt der Ölbaum als Symbol des Friedens und wird häufig besungen. Von den ausgedehnten Olivenhainen, die sich vom Nahen Osten bis zum Fuße des Kaukasus erstreckten, soll der griechische Held Kekrops bei seiner Rückkehr aus Ägypten die ersten Ölbäume nach Attika eingeführt haben. Das knapp werden der Eicheln in den heiligen Wäldern, das Vergil in der Georgica festhält, könnte auf den Beginn der Kultur des Ölbaums hinweisen.

Heute sind knapp 150 Ölsorten bekannt, die aus etwa 20 Ländern stammen. Von rund 800 Millionen Olivenbäumen, die heute weltweit kultiviert werden, gedeihen mehr als die Hälfte in den fünf EU-Ländern des Mittelmeerraums. In der EU-Produktion von Olivenöl übernimmt Spanien 35%, Italien 34%, Griechenland 28%, Portugal 2% und Frankreich 1%.

Die Ernte und Behandlungsmethode der Oliven sind über viele Jahrhunderte hinweg unverändert geblieben und zum Teil heute noch zu beobachten. Zu den ältesten archäologischen Funden zählen einfache Olivenmühlen aus Israel, die 9000 Jahre alt sein sollen und in denen die Oliven noch mit Hilfe von Steinen von Hand zerkleinert wurden und Olivenpressen aus Kreta, die aus dem mittleren minoischen Zeitalter (ca. 1800 – 1500 v. Chr.) stammen.

Auch auf zahlreichen bemalten griechischen Vasen (ca. 6. Jahrhundert v. Chr.) sind Olivenpressen dargestellt. Neben der Walzmühle – zwei zylindrische Steine, die sich über einem Behälter mit Oliven drehen und das Fruchtfleisch, aber nicht die Kerne zerquetschten – wurde laut Plinius in Athen, dass sogenannte Trapetum verwendet, bei dem zwischen Mühlsteinen und Behälter ein vorgegebener Abstand von knapp zwei Zentimeter lag.

In dem Buch „Das Leben auf Kreta zur Zeit der minoischen Kultur“ schreibt Paul Faure: „Die Olivenernte war die letzte und längste des Jahres. Sie begann im November und endete erst Anfang März, wenn die überreifen Früchte von alleine herabfielen. Einige Oliven wurden von Hand geerntet, von den höheren Ästen mussten sie jedoch von den Männern mit Stöcken herabgeschlagen werden. Die Frauen und Kinder sammelten die Früchte vom, mit Tüchern ausgelegten Boden auf und entfernten Blätter und Zweige. Wie bei der Gedreiteernte und der Weinlese waren alle Bediensteten des Gutes im Olivenhain versammelt. Drei gute Arbeiterinnen konnten im Laufe einer Saison Oliven für eine Tonne Öl sammeln. Die Früchte, die konserviert und als Tafeloliven verzehrt werden sollten, wurden in Salzlake eingelegt.“

Das Olivenöl wurde in drei Arbeitsschritten gewonnen: Das erste Olivenöl entstand durch Kaltpressung der Oliven. Das Zweite, zwanzig Tage später durch Pressung des Oliventrester. Das letzte Öl wurde unter Hinzufügung von warmen Wasser ebenfalls aus dem Oliventrester gewonnen. „Es wird deutlich, dass die Gewinnung von Olivenöl zahlreicher Arbeitskräfte und großer Sorgfalt bedurfte und die Unterschiede in Preis und Qualität entsprechend groß sein konnte.“
Jede Olivensorte hat ihre Eigenart und ihren Geschmack, entsprechend gibt es nicht ein Olivenöl, sondern verschiedene Olivenöle. Wie beim Wein werden auch hier Spitzenerzeugnisse, die Crus, gewonnen, die je nach den klimatischen Bedingungen von einem zum anderen Jahr unterschiedlich ausfallen. Der Geschmack eines Öls wird durch die Sorte, die Lage und natürlich die Art der Herstellung bestimmt. Hygiene ist bei der Gewinnung von Olivenöl eine wesentliche Voraussetzung.

Im Gegensatz zum Wein handelt es sich beim Olivenöl jedoch um einen wahrhaftigen Fruchtsaft, der sich unter strengen Bedingungen, vor Licht und Wärme geschützt, höchstens anderthalb Jahre lagern lässt.
Je nach Herkunft zeigt sich ein Olivenöl eher grün mit Geschmacksnoten von frischem Gras, Artischocken oder Tomatenblätter, oder aber milder mit Nuance von frischen Mandeln, Milch, Zitrusfrüchten oder Weißdorn.

Die großen Gastronomen haben sich schon rasch von dieser Frucht und ihren Erzeugnissen schöpferisch beflügeln lassen. Und so avancierte Olivenöl von seinem schlichten Dasein als Zutat einer Vinaigrette zur Königin manch eines Menüs und fand auf subtile Weise sogar Eingang in die Kreation von Desserts. Küchenchefs wie etwa Jacques Chibois oder Jean-Marie Meulien haben einige Rezepte dem Olivenöl gewidmet.